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Recap zu „Eine Stimme du hast“

Recap zu „Eine Stimme du hast“

Recap zu „Eine Stimme du hast“

Am vergangenen Freitag konnten wir selbst erleben, was für die meisten nur im Fernsehen stattfindet: Politik.

Wir hatten Politiker*innen zu Gast, die für die Verwaltung in Neukölln verantwortlich sind, aber auch Vertreter der Opposition, die diese Arbeit kritisch beleuchten.

Unser Standortvorteil: Die bodenständige Atmosphäre unserer Werkstatt und die Aufteilung in kleine Gesprächsgruppen, die nach Themen wie Gesundheit, Arbeit und Wohnen eingeteilt sind. Alle 15 Minuten rotieren die Politiker*innen von einem Tisch zum nächsten. Kein Platz also für große Worte, sondern ein Kennenlernen auf Augenhöhe. Unsere Gäste sind darauf gut eingestellt und zeigen sich ganz persönlich. Florian Kluckert, Vertreter der FDP, kommt wirtschaftsnah in Anzug und weißem Hemd, entpuppt sich aber als studierter Psychologe, der in einfachen Verhältnissen aufgewachsen ist. Er ist Mitglied des Abgeordnetenhauses sowie kultur- und gesundheitspolititscher Sprecher der FDP.

Ahmed Abed vertritt Die Linke und ist der einzige unserer Gäste, der nicht hauptberuflich Politik macht. Er ist Rechtsanwalt für Soziales und Arbeitsrecht. Trotz Regierungsbeteiligung Der Linken übt er scharfe Kritik, zumindest zum Thema Arbeit.

Die jungen Erwachsenen an dem Tisch zu diesem Thema interessieren sich vor allem für Ausbildungsplätze und kritisieren die Zustände an den Schulen. Laut Ahmed Abed fehlen 1.000 Lehrer in Berlin, weshalb der Unterricht oft ausfällt. Die SPD habe es lange verschlafen, dort gegenzusteuern. Lars Düsterhöft von der SPD sagt später, sie arbeiten daran, die Anzahl der Studienplätze für den Lehrerberuf zu erhöhen. Falko Liecke (CDU) berichtet von Bildungsträgern, die auf Pflegeberufe vorbereiten, sodass man nicht nur auf den Schulabschluss angewiesen ist, um sich für eine Ausbildung zum Beispiel bei den Vivantes Kliniken zu bewerben. Damit ist einer Teilnehmerin am Tisch sehr konkret geholfen.

Was auch dringend nötig ist, denn die Schulabbrecherquote liegt laut Ahmed Abed (Die Linke) bei 20 Prozent. Die Sprachförderung ist immer noch die größte Hürde. Auch unsere Teilnehmer*innen, die die Schule gerade beendet haben, haben große Lücken im Unterricht erlebt. Immer wieder fallen Stunden aus.

In Kitas wurde die Sprachförderung in vielen Fällen eingestellt. Mehr Personal wäre möglich, wenn die großen Unternehmen konsequenter ihre Steuern zahlen müssten. Das ist die Lösung der Linken laut Abed. Er verweist auch auf die Kultur in Japan, wo Geschäftsführer nicht so extrem viel mehr verdienen als die Angestellten. Auch ich empfinde die zunehmende radikale Verteilung von arm und reich als bedrohlich.

Ich frage nach dem bedingungslosen Grundeinkommen als Gegenpol dieser Entwicklung und als Maßnahme zur Bürokratieeindämmung. Das befürwortet auch Dr. Susanna Kahlefeld von den Grünen, dies sei eine alte Forderung ihrer Partei, die allmählich nicht mehr als utopisch betrachtet wird.

Der Bezirksbürgermeister Martin Hikel liefert unseren Teilnehmer*innen einen Einblick in die Verwaltung von Neukölln, die mit knapp 2.000 Angestellten dafür sorgt, dass die Stadtplanung vorankommt, dass das Bürgeramt und das Jobcenter besetzt sind, dass Schulen gebaut werden und das Abwassersystem funktioniert. Dazu gehören also auch Ingenieure für den Hoch- und Tiefbau. Insgesamt gibt es ein breites Spektrum von Gärtnern für städtische Parks bis zum Referenten für Klimaschutz. Einer unserer Teilnehmer informiert sich direkt beim Chef, ob er ein Praktikum in der IT-Abteilung machen kann.

Auch an den anderen Tischen können die Teilnehmer*innen ihre Sorgen im direkten Gespräch loswerden. Dazu gehört das Thema häusliche Gewalt und Bandenkriminalität. Drogenkonsum in der Öffentlichkeit und Lösungen wie das Projekt Fixpunkt.

Hier treffen auch ideologische Perspektiven aufeinander, die eher an Fernsehdebatten erinnern. Die CDU, vertreten durch Falko Liecke, möchte die Polizei besser ausbilden, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Die Linke macht sich vor allem Sorgen, dass die Polizeirepression weiter zunimmt. Ein härteres Strafmaß führt nicht zu weniger Kriminalität, sagt der Rechtsanwalt Ahmed Abed. Die FDP möchte die Bildung stärker fördern, damit Jugendliche in Neukölln bessere Perspektiven haben auf dem Arbeitsmarkt und nicht in die Kriminalität abrutschen.

Insgesamt ergibt sich für mich aber eher der Eindruck, dass die Parteien im Arbeitsalltag nach Lösungen suchen und Kompromisse schließen, um voranzukommen. Mir hat es sehr gut gefallen, wie unkompliziert Lokalpolitiker auf Menschen eingehen können, wenn man ein Gesprächsformat findet, dass keine Parolen braucht.

Jetzt sind wir dran - Stimme abgeben nicht vergessen.

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